15 Neuköllner Initiativen haben einen offenen Brief an die Fraktionen der SPD, Grünen und Linken im Berliner Abgeordnetenhaus gerichtet, in dem eine Beteiligung am geplanten Untersuchungsausschuss zur rechten Anschlagsserie gefordert wird.
SPD, Grüne und Linke hatten sich in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, einen entsprechenden Ausschuss „zeitnah“ einzurichten. Die Neuköllner Initiativen fordern in dem Brief, dass auch die Zivilgesellschaft und die Betroffenen der Anschlagsserie am parlamentarischen Untersuchungsausschuss beteiligt werden sollen:
An die Abgeordnetenhausfraktionen von SPD, Bündnis 90/die Grünen und Die LINKE
Wir schreiben Ihnen gemeinsam als Neuköllner Initiativen, die sich gegen die jahrelange neonazistische Gewalt im Bezirk organisiert haben. Um die Ursachen des Behördenversagens bei rechten Angriffen aufzuarbeiten, haben wir uns für die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses eingesetzt, der laut Ihren Koalitionsvereinbarungen nun schnellstmöglich eingesetzt werden soll.
Wir möchten unsere Forderung bekräftigen, Neuköllner Initiativen, kritische Zivilgesellschaft und Betroffene der Anschläge dauerhaft und unmittelbar an der Arbeit des Untersuchungsausschusses zu beteiligen. Die Abgeordneten sind zur Aufklärung auf das Wissen der Initiativen angewiesen. Und die Initiativen können ohne unmittelbaren Zugang nur sehr begrenzt kritische Begleitung und Nachforschungen leisten, die auch für die Glaubwürdigkeit der Aufarbeitung Voraussetzung sind. Notwendig ist dafür, dass alle Sitzungen und Befragungen des Untersuchungsausschusses öffentlich stattfinden.
Wir erwarten, dass bereits bei der Erteilung des Auftrags für den Untersuchungsausschuss unsere Einbindung in die Arbeit des Untersuchungsauschusses erfolgt. Wer nicht die richtigen Fragen stellt, hat keine Chance auf Erkenntnis. Dabei ist unser Input unverzichtbar.
Grundsätzlich gilt:
- Wegen der Zusammenhänge der rechten Terrorserie in Neukölln seit 2016 mit Anschlägen vor 2016 (z.B. auf das Falkenhaus) muss der Untersuchungszeitraum offenbleiben.
- Wegen der überregionalen Vernetzung der Tatverdächtigen sowie ihrer Aktivitäten und Straftaten außerhalb des Bezirkes müssen rechte Verbindungen, Vorfälle und Akteure in ganz Berlin und darüber hinaus in den Untersuchungsauftrag aufgenommen werden. Dazu gehören insbesondere nicht aufgeklärte rechte Straftaten (z.B. der Mord an Burak Bektaş) und auch Erkenntnisse Nicht-Berliner Behörden.
Bei dem von der BAO Fokus und den Sonderermittlerinnen festgestellten Versagen der Behörden im Neukölln-Komplex muss grundsätzlich nach dem Umgang mit rechten Straftaten und Aktivitäten, rechten Vorkommnissen in den eigenen Reihen, Sympathien mit rechten Ideologien und Tätern, Verbindungen zu rechten Akteurinnen, V-Leuten etc. gefragt werden. - Das beinhaltet auch bisher nicht untersuchte Verstrickungen der Berliner Behörden in den NSU-Komplex. Hierzu gehört die Untersuchung, inwiefern die Weigerung, einen Berliner Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex zu bilden, problematische Arbeitsstrukturen in den Berliner Behörden begünstigt hat.
- Zum komplexen Charakter des Naziterrors in Neukölln gehört auch die Beteiligung verschiedenster Behörden. Neben den verschiedenen Ebenen der Berliner Polizei (Abschnitte, Direktionen, LKA) dürfen auch die Rolle und Verantwortung von Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft nicht ausgespart werden.
Unser Bedürfnis nach Aufklärung ist dringend. Durch unsere Mitwirkung wollen wir zum Erfolg des Untersuchungsausschusses beitragen. Und uns ist wichtig, dass einem möglichen Scheitern des Untersuchungsausschusses bereits jetzt entgegengewirkt wird.
Unterzeichnende
Aufstehen gegen Rassismus Neukölln (AgR Neukölln)
Autonome Neuköllner Antifa (ANA)
andere zustände ermöglichen (aze)
Basta – Britzer Bürgerinnen fordern Aufklärung rechter Straftaten
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş
Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP)
Kein Generalverdacht
OPRA – Psychologische Beratung für Opfer rechtsextremer, rassistischer & antisemitischer Gewalt
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Verband der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-VdA, Neukölln)