Das Bündnis Neukölln hatte das Apabiz ins Nachbarschaftszentrum Wurtzkyallee eingeladen um zum Thema „Sie sind unter uns – Neonazis in Neukölln und ihre militante Kampagne“ vor rund 30 Zuhörer*innen zu sprechen. Die Wutzkyallee ist schon länger als rechter Brennpunkt bekannt. Die Wahlergebnisse für rechte Parteien sind überdurchschnittlich und auch viele Neonazikader wohnen hier (u.a. der NPDler Sebastian Thom). Um solche Orte wieder zurückzugewinnen, ist es wichtig sie mit Veranstaltungen wie heute zu belegen.
Analyse der Anschlagsserie
Schon 2009 und 2011 hatten militante Neonazis Neukölln als ihr Gebiet nächtlicher Aktivitäten auserkoren. Laut Apabiz scheinen die aktuellen Angriffe aber viel willfähriger zu sein. Es gibt beispielsweise gerade keine Liste von linken Läden und Aktivist*innen die abgearbeitet wird. Vielmehr wird gemacht was geht. Ein Schwerpunkt der Neonazis ist seit geraumer Zeit das Ausforschen und dokumentieren der politischen Gegener*innen. Das Resultat dieser „Anti-Antifa“-Arbeit sind nun solche Angriffswellen. Deshalb trifft es auch soviele unterschiedliche Leute und Zusammenhänge. Umso schwieriger ist es sich davor zu schützen oder die Taten aufzuklären. Zumal ein größeres Täter*innenspektrum in Neukölln seit den 90er Jahren existiert. Neben rechten Fußballfans, einem aktiven NPD-Kreisverband und sog. Autonomen Nationalisten, kommen spätestens seit 2012 die ganzen „Anti-Heim-Proteste“ und nicht zuletzt AfDler*inne dazu, die ihre Ziele auch militant durchsetzen würden. Dass der überwiegende Teil dieses Spektrums nicht mehr auf Neonazi-Aufmärschen präsent ist, macht die antifaschistische Arbeit nicht gerade einfacher. Ein weiteres Problem ist auch das Polizeiversagen. Immer noch werden viele offensichlich rechte Taten nicht entsprechend zugeordnet und in diese Richtung ermittelt. Betroffene berichteten auch von mies gelaunten Abschnittpolizist*innen, die bei zerschlagenen Fensterscheiben keinen rechten Hintergrund erkennen wollten.
LKA störte Veranstaltung
Nicht hinnehmbar war die Veranstaltung im Nachbarschaftszentrum offenbar für den Berliner Staatsschutz. Kurz nach Beginn verschafften sich sechs Beamt*innen Zutritt zum Nachbarschaftszentrum Wutzkyallee und blieben den gesamt Vortrag bis sie unter Murren doch noch des Saals verwiesen werden konnten. Außgerechnet PHK Michael Einsiedel, der in den 90iger Jahren V-Mann Führer in der Jenaer Neonaziszene war (deshalb fällt sein Name öfter bei den verschwörungstheoretischen und rechten NSU-Leaks) führte diese Provokation an. Während die neue Soko gegen Rechts in Neukölln aus ganzen zwei Polizisten besteht, scheint eine antifaschistische Aktionswoche ein größeres Arsenal polizeilicher Beobachtung herauszufordern als die üblichen Angriffe durch Neonazis.
Doch wie weiter in Neukölln? Die Veranstaltung hat gezeigt, dass die rechte Szene schwer zu knacken ist. Breit aufgestellt, wenig Ansatzpunkte, wenig öffentliche Strukturen. Gleichzeitig ruft antifaschistisches Engagement in Neukölln besondere polizeiliche Reflexe hervor, die den Kampf gegen Neonazis beschwerlich – aber nicht unmöglich machen.