Zusammenfassung Neonaziaktivitäten in der Nacht 17./18.08.10 in Neukölln:
– Parteibüro der Grünen, Bertelsdorfer Str.: Hausfassade wird mit Parolen und Keltenkreuzen besprüht. Außerdem werden Türschlösser und Klingelschilder beschädigt.
– Parteibüro der Linkspartei, Richardstr.: Rollläden werden mit Parolen mit Bezug zum Todestag des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Hess und Keltenkreuz besprüht.
– Parteibüro der MLPD, Reuterstr.: Hausfassade und Rollläden werden mit Parolen mit Bezug zum Todestag des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Hess besprüht.
– „Astra-Stube Neukölln“, Weichselstr.: Eine Scheibe wird eingeworfen und alle Reifen eines davor parkenden PKW werden zerstochen.
– Galerie Olga Benario, Richardstr.: Rollläden werden besprüht.
– F54, Friedelstr.: Rollläden werden mit Parolen mit Bezug zum Todestag des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Hess, einem Keltenkreuz, sowie einem durchgestrichenen A besprüht.
– ORI, Friedelstr.: Rollläden werden mit den Parolen Parolen mit Bezug zum Todestag des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Hess besprüht.
– Salvador-Allende-Club, Jonasstr.: Die Scheiben werden eingeworfen.
– Im Bereich des U-Bahnhofs Wutzkyallee in Gropiusstadt, im Drusenheimer Weg in Buckow sowie in der Köpenicker Straße in Rudow und im U-Bahnhof
Lipschitzallee wurden Plakate und Aufkleber mit rechtem Inhalt an Signalanlagen und Verteilerkästen angebracht.
Entgegen verschiedener Presseberichte und Angaben von Parteipressesprecher_innen arbeitet das Bündnis „Kein Ort für Nazis! Neukölln gegen Nazis“ parteiunabhängig und selbstbestimmt. Unter dem Stichwort „Kampagne“ (oben in der Navigation) kann nachvollzogen werden wer wir sind und was wir machen.
Ein paar Pressestimmen zu den Angriffen:
Wieder Nazi-Übergriffe in Neukölln (Redglobe.de)
Mittwoch, den 18. August 2010 um 22:33 Uhr
Offenbar im Zusammenhang mit dem Jahrestag des Todes von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß haben Neonazis in Neukölln wieder zugeschlagen. Erneut wurde die Fensterfront der Chile-Freundschaftsgesellschaft »Salvador Allende« e.V. eingeschlagen. An mehreren Stellen in Neukölln hinterließen die Nazis Wandschmierereien. Betroffen davon waren u.a. antifaschistische Projekte in der Friedelstraße, die Galerie Olga Benario in der Richardstraße sowie die Neuköllner Geschäftsstelle der Partei DIE LINKE und die Bezirksbüros von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD.
Irmgard Wurdack, Sprecherin des Bezirksvorstandes Neukölln der Partei Die Linke, erklärt dazu: »Die Nazi-Schmierereien in Neukölln bestärken uns in der Überzeugung, gemeinsam mit allen antifaschistischen Kräften die Kampagne „Kein Ort für Nazis!“ fortzusetzen, die in diesem Frühjahr mit einem „Langen Tag gegen Nazis“ gestartet wurde. Diese Kampagne verbindet Information über Nazis mit kulturellen Angeboten und Aktionen. Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen. Dafür wirkte Hitler-Stellvertreter Hess in der ersten Reihe und wurde vom Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg verurteilt.«
Es waren nicht die ersten Anschläge in Neukölln in diesem Monat. Am 1. August bemerkten Mitarbeiter einer Moschee am Columbiadamm gegen 11 Uhr an einem Nebengebäude eine erloschene Brandquelle und alarmierten die Polizei. Bisherigen Ermittlungen zufolge hatten Unbekannte abgelegtes Material vor einem vergitterten, fast ebenerdigen Kellerfenster in Brand gesetzt. Das Feuer erlosch von selbst, so dass die Haussubstanz nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Menschen wurden nicht verletzt. Ein Brandkommissariat hat die weiteren Ermittlungen übernommen.
Am gleichen Tag wurde ein Ägypter in Neukölln Opfer eines rassistischen Angriffs. Der 41-jährige befand sich gegen 17 Uhr auf dem Bahnsteig der Linie 7 im U-Bahnhof Hermannplatz, als er unvermittelt von einem unbekannt gebliebene Täter mit einem Schlagstock angegriffen wurde. Zudem bedrohte der Angreifer den 41-Jährigen mit einem Messer und beleidigte ihn mit rassistischen Parolen. Der Angegriffene konnte weitere Schläge mit seinem Arm abwehren. Anschließend flüchtete der Unbekannte aus dem Bahnhof. Das Opfer wurde durch den Angriff leicht am Arm verletzt und musste ärztlich behandelt werden. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes hat die Ermittlungen übernommen.
Polizeipressemitteilung vom 18.08.2010
Eingabe: 18.08.2010 – 17:50 Uhr
Sachbeschädigungen mit „rechtem“ Hintergrund
Neukölln / Lichtenberg / Treptow-Köpenick
# 2500
In mehreren Stadtteilen Berlins haben Unbekannte seit dem Wochenende diverse Sachbeschädigungen begangen.
Im Bereich des U-Bahnhofs Wutzkyallee in Gropiusstadt, im Drusenheimer Weg in Buckow sowie in der Köpenicker Straße in Rudow und im U-Bahnhof Lipschitzallee wurden Plakate und Aufkleber mit „rechtem“ Inhalt an Signalanlagen und Verteilerkästen angebracht. Ferner beschmierten Unbekannte in der Neuköllner Richardstraße die Jalousie einer Ausstellung. Beschädigte Türschlösser und Klingelschilder, aufgesprühte Parolen und mehrere Keltenkreuze an der Fassade wurden von Mitarbeitern eines Parteibüros in der Berthelsdorfer Straße im selben Ortsteil angezeigt.
Alarmierte Polizeibeamte stellten darüber hinaus an den Rollläden eines weiteren Parteibüros in der Richardstraße Farbschmierereien und ein Keltenkreuz fest. Unbekannte beschmierten vergangene Nacht ein Lokal und ein Vereinsheim in der Neuköllner Friedelstraße ebenfalls mit rechtsextremen Schriftzügen und Keltenkreuzen.
Polizisten des Abschnitts 64 stellten heute in der Heinrich- und der Eitelstraße in Lichtenberg mehrere Plakate mit „rechtem“ Inhalt fest, die an Straßenlaternen angebracht worden waren. Beamte einer Einsatzhundertschaft entdeckten heute Morgen gegen 9 Uhr 30 verfassungswidrige Symbole in Köpenick. Im Müggelschlößchenweg hatten Unbekannte ein Hakenkreuz und SS-Runen auf einen Kleidercontainer gesprüht.
In den bisher angezeigten Fällen wurde überwiegend der Todestag eines nationalsozialistischen Kriegsverbrechers thematisiert. Die zahlreichen Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt übernommen.
Rechte Schmierereien in Neukölln (taz vom 19.08.2010)
Zum wiederholten Mal verunstalten Rechte die Fassaden verschiedener Einrichtungen. Ermittlungen der Polizei wegen ähnlicher Vorfälle in den letzten Monaten sind im Sande verlaufen. VON SVENJA BERGT
In der Nacht zum Mittwoch wurden erneut verschiedene Orte in Neukölln mit rechtsextremen Parolen beschmiert. Betroffen waren unter anderem die Büros von Grünen und Linkspartei sowie die Galerie Olga Benario.
„Es gab Schmierereien auf einem äußeren Rollo, die Bezug auf den Todestag von Rudolf Heß nahmen“, sagt Irmgard Wurdack, Sprecherin der Neuköllner Linkspartei. Die Polizei habe diese bereits am Morgen wieder überstrichen. Der örtliche Verband der Grünen berichtet, dass die Rollläden und die Hauswand besprüht wurden, zudem sei das Türschloss vorübergehend unbrauchbar gemacht worden. Nach Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr) waren darüber hinaus die Galerie Ori und der alternative Friedelladen betroffen.
Als Reaktion auf vergangene Anschläge hatten sich mehrere Einrichtungen im Februar zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Mit dabei sind unter anderem die Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende, Antifa-Aktivisten und Parteigruppen. Damit wollen sie in erster Linie Öffentlichkeit herstellen und die Anwohner informieren. Die sollen wachsam sein und gegebenenfalls die Polizei rufen.
„Wir machen die Vorfälle öffentlich – und damit machen wir klar, dass wir den Geschichtsrevisionismus, der bis hin zu Bedrohungen geht, nicht hinnehmen werden“, sagt Wurdack. Ihr Parteikollege und Landesgeschäftsführer Carsten Schatz ergänzt: Auch wenn das Netzwerk Anschläge nicht konkret verhindere, sei es wichtig, gesellschaftlich dazu beizutragen, dass Menschen hinschauten und für die Problematik sensibel würden. In der Vergangenheit hätten sie stets Anzeige erstattet, berichtet Schatz. Doch die Ermittlungen seien immer eingestellt worden.
Die Geschäftsstelle der Grünen ist bereits zum vierten Mal betroffen. Stets habe man Anzeige erstattet, doch auch hier seien die Verfahren stets eingestellt worden, berichtet Fraktionsmitarbeiterin Carola Scheibe-Köster. Auch die Grünen beteiligen sich an dem Netzwerk, berichten aber auch über Vorbehalte, die es in einigen Gruppen gegen die Kooperation mit Parteien gebe. Grundsätzlich sei die Vernetzung jedoch hilfreich: „Auf der einen Seite gibt es beispielsweise Solifeste, bei denen gesammelt wird, um zerstörte Fenster zu ersetzen. Auf der anderen Seite steht man einfach nicht so ganz allein da“, sagt sie.
Matthias Müller, Mitarbeiter der mbr, hält genau diesen Zusammenhalt für wichtig. „Für die Betroffenen ist es zentral, zu wissen, dass sie nicht allein sind“, sagt er. Dabei würden Rechtsextreme mit den Schmierereien nicht nur Präsenz nach außen suggerieren wollen. „Es geht immer auch darum, dass sie sich ihrer selbst vergewissern wollen“, sagt Müller. SVE